Hilfe und Dokumentation zu WdK-Explorer

Diagramm für Aktuelle Auwahl statistik

1. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 26

1901 - Glogau : Flemming
Herz des Reiches".- Es hat übrigens früher lebhafte Beziehungen zu dem oberrheinischen Deutschland unterhalten, und die Bildsäule des „von Allemand" ist ein Zeugnis für die dankbare Pietät der Bewohner. — Westwärts von Lyon liegt der große Kohlenbezirk, und mitten in ihm St. Etienne, das Birmingham und Sheffield Frankreichs. Hier werden Metallgeräte gearbeitet und namentlich die Waffen geschmiedet für die französische Armee; hier ist aber auch der Derd der Strikebewegungen und socialdemokratischen Umtriebe. — Nördlich von Lyon zieht sich die Saone aufwärts und an den Berg- hängen das Land Burgund mit seinem berühmten Weinwuchs. Das Gebirge cöte d'or hat ja daher den Namen, daß aus den Reben Gold über das Land fließt. Die Herzöge von Burgund beherrschten dies Gebiet, und Philipp den Guten nannte man geradezu den due des bons vins. Die burgundischen Fürsten haben eine große Nolle in der Geschichte Frankreichs und Deutschlands gespielt; Karl der Kühne war der reichste Fürst seiner Zeit, und da Burgunds Herrscher zugleich die gewerbthätigen Niederlande mit ihrer Wollensabrikation besaßen, so ist auf sie der Orden des goldenen Vließes zurückzuführen, der noch heute als einer der vornehmsten der Christenheit anzusehen ist. Aber noch in einer anderen Beziehung ist das burgundische Land von mächtigem Einflüsse gewesen; es war das Land der Klöster. Welche Fülle religiöser Anregungen ist von Cluny ausgegangen! Die cluniacensische Richtung verinnerlichte das ganze Glaubensleben des 11. Jahrhunderts, ermöglichte demnach die Entstehung der Kreuzzüge, begründete aber auch zugleich die Anmaßung der hierarchischen An- sprüche und schus dem deutschen Kaiser die schwersten Gegner und Kämpfe. Ungleich friedlicher ist der Einfluß, der von Citeaux, der Heimatsstätte der Cifterzienfermönche, ausging. Aus den weit ver- breiteten Tochterklöstern dieses Ordens zogen die Pioniere christlicher Kultur, rationelleren Ackerbaus und vorgeschrittener Gartenpflege oft- wärts unter die slavischeu Völkerschaften und gewannen z. B. dem Deutschtum den ganzen Osten seines heutigen Gebietes, die Kern- lande unseres jetzigen imposanten Kaisertums. Unweit von Citeaux liegt die clara vallis, wo der heilige Bernhard als Abzweigung des Ordens das berühmte Clairvaux gründete. Übrigens nennt man in Frankreich gewöhnlich die Cisterzienser Bernhardiner. Um hier, da wir gerade von den Klöstern sprechen, auch noch dreier anderer berühmten Abteien in Frankreich zu gedenken, so liegt in der Perche La Trappe der strengste Orden der katholischen Kirche, der seinen Bekennern nur erlaubt den Mund zu öffnen zu dem Todesgruße memento mori, in den Voralpen bei Grenoble die Karthaufe, das Stammkloster der Karthäuser, das seit 1819 wieder bewohnt wird, und bei Laon Pr6- montre, wo Norbert von Tanten die Prämonstratenser stiftete, die sich in gleicher Weise wie die Cisterzienser um die Verbreitung der

2. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 45

1901 - Glogau : Flemming
— 45 — Die Alpenstraßen führen auf diesen Vereinigungspunkt zusammen, und so ist in der Stadt das Element der Fremden bedeutsam ver- treten-, will man doch auch in Mailand einen weniger italienischen als internationalen Stadttypus erkennen. Mit seinen 400000 Ein- wohnern ist es das Handelscentrum für die überaus fruchtbare Lom- bardei; und namentlich spielt die Seiden-Jndustrie und -Ausfuhr in ihr eine große Rolle. Daneben hat Mailand eine interessante Geschichte; im Mittelalter trotzte es den deutschen Kaisern, und man rechnet nach, daß es 48 mal belagert und 23 mal erstürmt worden ist. Ganz im Westen der Poebene liegt Turin, die Hauptstadt jenes kernigen Volksstammes, der Piemontesen, dem die Einigung Italiens ge- lingen sollte. Um das untere Pogebiet und südwärts vom Flusse in der so- genannten Emilia liegt eine Menge bedeutender kleiner Städte, und der ganze Landstrich ähnelt recht in seiner charakteristischen Zusammen- setzung und früheren Geschichte den centraldeutschen Gebietsteilen, z. B. Thüringen. Hier gediehen die kleinen Fürstentümer mit ihrer intensiven Pflege der Kunst, und die Namen der Dynaftieen sind unsterblich geworden. In Mantua, in dessen Nähe Vergil geboren ist, der sich so schmerzlich nach der schilfbekränzten Flut des Mincio sehnte, regierten die Gonzagas, und der Maler Giulio Romano war der Liebling des Hofes. Eine kleine Abzweigung des Fürstentumes war Guastalla, das durch Lessings Emilia Galotti bekanntlich ver- ewigt ist. In Ferrara blühten die Estes, und Tasso weilte in dieser kleinen Residenzstadt. Die Stätte, die ein guter Mensch betrat, ist eingeweiht, noch nach Jahrhunderten klingt sein Wort und seine That dein Enkel wieder. An der großen Bahn, die sich weiterhin zu der bekannten Rücken- eisenbahn entwickelt und sich bis nach Brindisi hinzieht, liegen Parma und Modena, die lange Zeit in der neueren Geschichte als Residenzen bekannt waren. Dann erscheint südwärts Canossa, unglückselig be- rühmt durch die Demütigung des deutschen Kaisertums im Jahre 1077, und endlich Bologna, von den Italienern 1a grassa — die reiche — genannt. Bologna ist seit dem frühen Mittelalter berühmt als die Stadt der Rechtsgelehrten, und auch im Kaufmann von Venedig muß Portia als Rechtsgelehrter aus Bologna auftreten und den bösen Handel mit Shylock entscheiden. Die Bahn läuft in süd- westlicher Richtung bis Ancona, der alten „Ellenbogenstadt", wo der Apennin seinen Knick macht und wo der Dom in herrlicher Lage hinausschaut auf das Adriameer. Von Bologna aus zweigt sich die mittelitalische Eisenbahn ab, die uns an die Gestade des tyrrhenischen Meeres bringen soll. Die

3. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 109

1901 - Glogau : Flemming
— 109 — schast mag ja auch die Unterwürfigkeit begünstigt haben. Aber etwas anderes ist charakteristisch. Sie schließen sich gern zusammen und übertragen einem aus ihrer Mitte die Fuhrung. Es pocht nicht jeder aus seine Individualität, und man sieht ein, ein Volk, aus solchem Holz geschnitzt, ist zu einer führenden Stellung, zu einer politischen Rolle berufen und vorausbestimmt. Zudem hat es Nuß- land nie an energischen Herrschern gefehlt. Schon das muß als ein günstiges Omen gleich am Anfang der russischen Geschichte betrachtet werden, daß Wladimir, „der Zar Peter des 10. Jahrhunderts," eine Enkelin an König Heinrich I. von Frankreich vermählen konnte, so daß alle französischen Könige das Blut seines Geschlechts in ihren Adern tragen. Die Tüchtigkeit der Regenten verband sich dem Cha- rakter des halbasiatischen Volkstums gemäß oft nüt einer grausamen Wildheit; deshalb legte man dem Zar Iwan den Namen des Schreck- lichen bei. Es geht die Sage, daß er den Baumeister der oben er- wähnten „Ananaskirche" gefragt hätte, ob er sich getraue, ein zweites Bauwerk derart vollenden zu können. Und auf die bejahende Ant- wort hin ließ er ihn schnell enthaupten, damit nur er ein so Herr- liches Gotteshaus besitze. Dann solgt um 1700 Peter der Große, dem man eine wilde Energie gewiß nicht absprechen wird. Im 18. Jahrhundert regierten vier Frauen, Katharina I., Anna, Elisa- beth und Katharina Ii. oder die Große, der Rußland so ungemein viel zu verdanken hat, was uns Deutsche um so mehr freut, als sie in Stettin geboren war und völlig als unsere Landsmännin angesehen werden kann. Im 19. Jahrhundert war Nikolaus I. ein mächtiger Fürst, der schon in seiner äußeren Erscheinung das Majestätische und Jmperatorische spüren ließ. Als das Cholera- schrecken 1831 in Petersburg alle Gemüter lähmte und ein wilder Aufruhr die Stadt durchtobte, erscheint er ohne Begleitung unter der wütenden Menge. Man raunt sich zu: Gossu dar (der Herr ist da). Dann steigt er auf die Stufen einer Kirche und donnert den Nuffen zu: na kalenn (aus die Kniee). Widerstandslos haben zehn- tausend Menschen dem Befehl gehorcht. Bei einem so gearteten Volke und bei solchen immer von neuem wiederkehrenden energischen Herrschern will das westlichere Europa aus der Angst nicht herauskommen, als ob uns alle das Slaventum der- einst verschlingen werde. Erst neuerdings hat Nietzsche dieser Be- sürchtung Ausdruck gegeben. Fast unheimlich ist ja das Anwachsen der Bevölkerung. Wir haben heute dreimal soviel Russen als vor hundert Jahren, und die Volksmasse allein des europäischen Ruß- lands mit 106 Millionen erscheint unzählig und beängstigend. Aber hinter, solcher Angst birgt sich doch nur das Gefühl der eigenen schwäche; ein gesundes Westeuropa kann auch gegenüber solchen Zahlen die Furcht bezwingen; denn es sprechen verschiedene Gründe

4. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 111

1901 - Glogau : Flemming
— Iii — schweren Nachteil für die Entwickelung des Landes bedingt die Un- Bildung der großen Massen, die fast zum Erschrecken große Zahl der Analphabeten. So gewiß „Bildung Macht ist", so armselig ist der Staat daran, dessen Bevölkerung nur körperlich mitzählen kann. Was hat in den Perserkriegen den Athenern schließlich den Sieg verliehen? Die Zahlenverhältnisse waren ja ungünstig genug, Herodot wenig- stens rechnet bei Marathon aus 10 Perser 1 Athener. Aber es waren bei den Orientalen zusammengetriebene Massen, bei den Griechen selbständige, gebildete und sreiheitsliebende Männer, bei denen Ehrgefühl und innerer Wert ganz anders mitsprachen. Man rechnet in Rußland, daß nur der achte Teil der schulpflichtigen Ju- gend Unterricht genießt und daß auch bei den bevorzugteren Klassen sich jener Halbsirnis der Bildung eingestellt hat, unter dem sich an- geborene Roheit versteckt. Darauf zielte jenes Wort Napoleons, das wir oben erwähnten. Und damit hängt auch die erschreckliche Unehr- lichkeit und Korruption des Beamtentums zusammen, ein Krebs- schaden, dessen Heilung je länger desto mehr fast eine Undenkbarkeit zu sein scheint. — Und sehen wir denn nicht, wie in dem ungeheuren Reiche der Wurm im Innern nagt? — wie durch die nihilistischen Ver- brechen alles Vertrauen erschüttert wird? Die Lebensbeschreibung des Fürsten Krapotkin, die unlängst erschienen ist, weist auf entsetz- liche Zustände. Ein Fürst steht an der Spitze der anarchistischen Partei; das giebt doch wohl genug zu denken. Schließlich bleibt Rußland als vornehmste und unbestrittenste Aufgabe die Ausbreitung in Asien, und da hat, wie wir das schon im ersten Teile nachwiesen, es Rußland auch erreicht, daß es zu- sammen mit seinem europäischen Besitz den sechsten Teil der Land- masse der Erde umfaßt. Man rechnet, dem Zaren ist die Hälfte von Europa und ein Drittel von Asien unterthan. Und hier in Asien stehen Rußland noch die rühmlichsten Kulturausgaben bevor. Möchte es immer dessen eingedenk sein, was einst ein Russe gesagt hat: Wir wollen Asien als unser eigenes Kind erziehen, es gleich der Mutter an unseren eigenen Brüsten säugen!

5. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 53

1901 - Glogau : Flemming
— 53 — Wir haben ausführlicher über Italiens Naturschönheit gesprochen, über jene unvergängliche Himmelsgabe, die dem Lande zu teil geworden ist und aus die hin der Dichter sich zu dem Geständnis genötigt sieht: Wer dich gesehen, o dem altert nimmer Das Herz im Busen, o dem bleibt ein Schimmer- Bon Jugendglück und reinster Lebenswonne! wir werden aber Italien auch große politische Vorzüge zugestehen müssen. Das Königreich Italien ist unter allen Großmächten in der Beziehung am besten daran, daß es in der Sprache ein einheitlich geschlossenes Staatsgebiet genannt werden kann. Deutschland, das ja sonst nicht ungünstig dasteht, hat doch seine 3 Millionen Polen, in Frankreichs staatlicher Grenze sind einbeschlossen Bretonen und Italiener, aber Italien von den Alpen bis zum Ätna bietet sprachlich und konfessionell eine vollständige Einheit dar. Allerdings ist das gespannte Verhältnis mit dem Papste, der sich als Gefangener im Vatikan betrachtet, ein recht häßlicher Wermutstropfen in dem sonst ungemischten Becher erfreulicher staatlicher Zustände. Ein zweiter Vorzug ist darin ersichtlich, daß das italische Volk eine unleugbare Begabung für das Seewesen seit alten Zeiten an den Tag gelegt hat. Die Italiener waren jahrhundertelang die ersten Seefahrer der Welt und erfanden im Mittelalter die Kunst der Hochseefahrt mit Hilfe des Kompafses. Amalfi, wo Flavio Gioja die Bussole ersand, war im alleinigen Besitz des Levantehandels, hatte 50000 Einwohner, und seine Handelsgesetze, die tabulae Amalfitanae, wurden allgemein geltendes Seerecht. Diesen Ruhm der Seetüchtigkeit hat sich Italien bis auf den heutigen Tag erhalten, es besitzt vorzügliche Häfen, wie Brindisi, Livorno, Neapel und Messina; namentlich aber hat sich in neuester Zeit Genua zu einem der besuchtesten und wichtigsten See- Häsen entwickelt. La superba nennen die Italiener die alte Dogen- stadt, und seitdem durch die Eröffnung des Gotthardtunnels der Stadt das richtige Hinterland erschlossen ist, hat sich der Seeverkehr ins Immense gesteigert. Hier haben auch unsere deutschen Dampferlinien nach den östlichen Weltmeeren ihre Station und nehmen die Passagiere aus, die auf dem kürzeren Landwege an das Seegestade geeilt sind. Der Handel Italiens hebt sich mehr und mehr, die Aussuhr der billigen italienischen Weine hat eine große Zukunft. Leider hat das Land keine Steinkohlen, ist also für seine industriellen Unternehmungen auf die Zufuhr der englischen Kohlen angewiesen; man hofft aber, die Wasserkraft des Landes mit seinen zahlreichen Fällen in Zukunft für elektrische Anlagen auszunutzen und so den Bedarf der Kohlen mehr entbehrlich zu machen. In jeder Beziehung hat sich Wohlstand und Wagemut der Italiener unter der jetzigen einheitlichen Regierung gehoben; die Viehzucht (Rinder) sängt an, sich erfreulicher zu gestalten,

6. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 54

1901 - Glogau : Flemming
■— 54 — wieder hat das italienische Geld seinen vollen Kurswert erhalten, und das junge Königreich hat sich an der abessinischen Küste sogar eine Kolonie Eritrea erworben. Diesen unleugbaren politischen Vorzügen des Landes stehen böse Nachteile gegenüber. Die große Volksmasse in Italien, die ja um ihrer Anspruchslosigkeit und Anstelligkeit willen alles Lob verdient, ist sehr arm; in vielen sicilischen Städten ist der dreißigste Mensch ein Bettler. Einen großen Einfluß mag die paradiesische Natur des Landes haben, die zum dolce far niente ordentlich herausfordert; man denke an die Lazzaroni in Neapel. Und vom Müßiggang zur völligen Verlumpung ist es nur ein kleiner Schritts Aber die große Armut hat noch eine andere Ursache, und das berührt sich mit ahn- liehen socialen Zuständen der alten römischen Republik. Grund und Boden sind meistens in Italien im Besitz großer Grundherren, die ihr Land zur Pacht austeilen. Der Pächter hat bei den ungünstigen Pachtbedingungen wenig Lust, seinen Ackerteil intensiv zu bearbeiten. Die reichen Grundherren haben gleichermaßen kein rechtes Interesse, aus den ausgedehnten Ländereien die bäuerische Aekerpflege mit ein- dringendem Fleiß betrieben zu sehen, und so ergeben sich vielfach ungesunde wirtschaftliche Zustände. Das schlagendste Beispiel dafür bietet die römische Campagna. Sie war im Altertum bebaut, bis zur Tibermündung reihten sich Villen und Bauerngehöfte, jetzt macht sie den Eindruck einer furchtbaren Ode, deren 2000 □ km große braune Fläche nur belebt wird durch die halbwilden Hirten, wenn sie mit ihren lancia die großen Büffelherden in Ordnung halten. Man nannte früher die Colonna die Könige der Campagna, andere Fürstengeschlechter, wie die Orsini und Barberini, deren Sommersitz die Albaner Berge sind, mögen ja auch Anteil an dieser braunen Wüste haben; genug, der Eindruck ist da: früher Wohlstand und Fleiß, jetzt Verödung. — Ein zweiter Grund für die Armut und den Rückgang der landwirtschaftlichen Beschäftigung ist die grauen- hafte Entwaldung des Landes, und unter diesem Fluch, der alle süd- europäischen Halbinseln trifft, hat vorzugsweise Sicilien zu leiden. Das Innere der Insel ist meist steppenartig, und doch war das getreidereiche Sicilien zur Zeit der alten Römer die nutrix et cella penaria plebis Romanae. Die heutige Regierung, die in vieler Be- ziehung frühere Sünden gut zu machen fucht, widmet dem Waldbau besondere Aufmerksamkeit. Sie weist den einzelnen Provinzen nam- hafte Summen zur Aufforstung zu und seiert in der Nähe Roms am ponte molle das Fest degli alberi (23aum), wo die Jugend an- gehalten wird, Bäumchen anzupflanzen. — Ein drittes böses Cha- rakteristikum des Landes ist die malaria, namentlich in den Küsten- ebenen, worunter die pontinischen Sümpfe ihre traurige Berühmtheit erlangt haben. Man versucht neuerdings durch Anpflanzung der

7. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 63

1901 - Glogau : Flemming
— 63 — fuhr des Landes ist ansehnlich an Korinthen, den kleinen getrockneten Beeren des Rebstocks, und dann an Wein, worunter jetzt wieder der Malvasier, das Gewächs Spartas, gleich wie im Mittelalter zu Ehren kommt. Hinderlich ist auch hier der Mangel an Waldwuchs, und die vorzugsweise gehegten Ziegen lassen auch nicht recht die Bäume gedeihen. Eine vornehme Einnahmequelle und ein wertvolles Kapital an Interesse und Beachtung bleibt Griechenland aber immer durch den stets wachsenden Zuzug der Fremden, die die klassischen Er- innerungen veranlassen, dem Lande des Perikles, Plato und Sophokles einen mehr oder minder intensiven Besuch abzustatten. Athen ist daher mächtig gewachsen; noch in der Türkenzeit hatte es 20000 Einwohner, jetzt 108000. So wie Edinburgh in Leith seinen Hasen hat, so heißt Athens Hafen Piräus. Landet man dort, so winken uns schon der Pentelikon, der Hymettos und Lykabettos entgegen. Fast unmittelbar an letzterem liegt der Königspalast der neugegründeten Dynastie und unweit davon die Akropolis mit ihren ehrwürdigen Bauresten. Was sonst die Ortschaften in und um Griechenland betrifft, so haben die 500 östlich gelegenen Inseln lange nicht mehr die Bedeutung wie im Altertum. Es ist so, als wenn die ganze Entwickelung des Landes die körperliche Drehung eines Menschen gemacht hätte; das Antlitz des Landes sieht nicht mehr nach Osten, nach Asien, sondern man kann sagen, nach Westen, wo die Schwerpunkte europäischer modernster Civilisation liegen. Darum sind die westlich von Griechenland be- findlichen Inseln sehr emporgekommen; man zählt ihrer ungefähr 100. Volkswirtschaftlich und in Bezug auf Intelligenz haben sie einen be- deutenden Vorsprung; sie gravitieren nach Italien, haben eine Volks- dichtigkeit, die diesem benachbarten Königtum ziemlich gleichkommt, und Korfu (Universität) und Zakynthos sind in jeder Beziehung be- achtenswerte Städte. Von den slavischen Landschaften der Balkanhalbinsel, die wie Montenegro immer selbständig gewesen sind oder sich neuerdings von der türkischen Oberhoheit losgerissen haben, scheint Bulgarien nebst Ostrumelien wirtschaftlich am günstigsten zu stehen. Es hat in Varna und Burgas Häfen am Schwarzen Meere, verfügt noch über nam- hafte Waldbestände und kann erhebliche Mengen Getreide ausführen. Auch nimmt, wie in der Türkei, der Rosenstrauch als Ackergewächs weite Flächen ein, so daß an Rosenöl über 1 x/2 Millionen Lei (— 1 Frank) in den Handel kommt. Die beiden andern Staaten, das Königreich Serbien und das Fürstentum Montenegro, stehen wirtschaftlich zurück und sind schon um ihrer Lage willen ganz von Osterreich abhängig, das über Belgrad und Eattaro den Handels- verkehr besorgt. Serbien ist nicht unfruchtbar, spielt aber zumeist durch seine Schweinemast eine bedeutsamere Rolle. Die Serben um- gab seit älterer Zeit eine ganz eigene Romantik, ihre Volkslieder

8. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 65

1901 - Glogau : Flemming
O st c v r e i ch - H tt u am. mnteil am Mittelmeer hat auch die vierte Großmacht, bte, wir jetzt besprechen wollen, nämlich Osterreich-Ungarn. Der Über- gang zu diesem Staat ist uns „noch in einer anderen Beziehung ver- mittelt, denn Spanien, sowie Osterreich-Ungarn gehörten früher zum großen Weltreiche der Habsburger. Zuerst regierte das Haus unum- schränkt über die ganze Ländermasse, dann entstanden die beiden Linien Spanien-Habsburg und Osterreich-Habsburg, die aber beide die engsten Beziehungen miteinander unterhielten. Dieser verwandtschaftliche Konnex mit der spanischen Linie gab den öfterreichisch-habsburgischen Kaisern und Regenten etwas ungemein Steifes und Unnahbares, und in dem Schillerschen Wallenstein wird uns dieser Charakter des Kaiser- Hauses vortrefflich versinnbildlicht. Erst im 18. Jahrhundert begann der Wiener Hof sich in gemütlichere Beziehung zu dem Volke zu setzen, und epochemachend ist nach dieser Seite hin die Regierung der Maria Theresia, wie sie denn in unmittelbarster Frische und Natür- lichkeit einmal an die Brüstung ihrer Theaterloge geeilt ist und den „Weanern" zugerufen hat, der „Leupold hat 'nen Jungen". Ihrem Beispiel der gemütlichen Annäherung an das Volk find,, später die Kaiser Joseph Ii. und Franz, der der erste Kaiser von Ost erreich war, gefolgt. Auch nach der Scheidung von der spanischen Linie hatte Oster- reich einen umfangreichen Länderbesitz. Neapel, die Niederlande, die Lombardei und Venetien haben zu der Gesamtmonarchie gehört, sind aber heute alle verloren gegangen. Die staunenswerte Vergrößerung an Land und Macht hatte den Zeitgenossen den Spruch eingegeben: bella gerant alii, tu felix Austria nube, und damit war das fabel- hafte Heiratsglück der Mitglieder des österreichischen Regentenhauses charakterisiert. Diese günstige Konjunktur, durch Verheiratung der Töchter die eigene Macht zu erhöhen, hatte schon Rudolf von Habs- bürg ausgenutzt, von dessen Glück und wachsender Bedeutung der zeitgenössische Bischof von Basel behauptete, die Ehren würden so groß,„daß der liebe Gott nicht ruhig auf seinem Stuhle sitzen könne. Österreich blieb seit Rudolfs Regierung im Besitz der Habs- Hanncke, Eidkundl. Aufsätze. Ii. S

9. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 66

1901 - Glogau : Flemming
— 66 — burger; da es aber nicht Kurfürstentum geworden war, so suchte Herzog Rudolf nach einem neuen Titel und nannte sich 1365 Erzherzog. Nachdem im 14. Jahrhundert die Kaiserwürde an andere mächtige Fürstenfamilien in Deutschland gekommen war, kehrte sie im 15. wieder zu dem österreichischen Geschlechte zurück, und die Habsburger haben dann dem deutschen Kaiserthrone 20 Regenten geschenkt. Ein An- denken an diese lange Kaiserzeit muß auch heute noch darin gefunden werden, daß der Regent Öfterreichs unter seinen Titeln die Bezeich- nung aufführen darf, König von Jerusalem zu sein. Bald wurde nun auch dem habsburgischen Haufe der Spruch in den Mund ge- legt, der durch die 5 Vokale des Alphabets angegeben wird und der z. B. auf der Kirchenthür des Grazer Domes zu lesen ist. Die Aus- legung ist nicht unbestritten, als bekannteste und überzeugendste muß doch aber die gelten, daß die Buchstaben bedeuten sollen: Alles Erd- reich ist Osterreich unterthan, oder Austriae est imperare orbi universo. Und so hat sich dieses stolze Staatswesen entwickelt hier im Südosten Europas, das auch heute noch den Anspruch machen kann, das zweit- größte in unserem Erdteile zu sein.1 Der österreichische Kaiserstaat hat aber noch einen anderen Vorzug, der als recht charakteristisch zu betrachten ist. Es ist nämlich der einzige Staat in Europa, der in seinen Grenzen die drei wichtigsten Bevölkerungselemente Europas vereinigt, nämlich die Deutschen, die Romanen 2 und die Slaven. Das österreichische Land hat seit altersher zwei Kulturaufgaben zu erfüllen gehabt. In frühen Jahrhunderten war es gegenüber dem von Osten her andringenden Heidentum der Hort des christlichen Glaubens, und schon zur Zeit der Völkerwanderung lebte hier am Kahlenbergs der heilige Severin, dessen Begegnung mit Odovakar sozusagen ihre symbolische Bedeutung hat. Der hochgewachsene Ger- manenfürst, der sich bücken mußte, um in die Thür der Hütte, in der der Heilige wohnte, einzutreten, erbat sich von Severin seinen Segen. Und der Mönch segnete den Deutschen und prophezeite ihm und seinem Volke eine große Zukunft. Bezog sich auch Severins Weis- sagung mehr auf die Schicksale, die Odovakar in Italien haben sollte, so kann man doch sagen, ist der Segen des Heiligen dem Deutsch- tum überhaupt hier im österreichischen Lande zu gute gekommen. Gegen Avaren, Magharen und Türken hat diese tapfere Ostmark die Fahne des Christentums hochgehalten und wie ein treuer Eckart Deutschland vor der Überflutung durch diese Völker bewahrt. _— In v neuerer Zeit hat Österreich allerdings nicht mehr das Christentum gegen heidnische Gefahren zu verteidigen;,, aber das Christentum selbst hat sich in Konfessionen gespalten, und Osterreich darf als ein Boll- 1 Nur Rußland ist an Flächenraum, größer. 2 Italiener und Rumänen sind in Österreich vertreten.

10. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 71

1901 - Glogau : Flemming
— 71 — Steinhaufen das Land bedecken und die eisige Bora über den Boden fegt. Außer diesen physikalischen Gegensätzen werden wir in merkan- Wischer und wirtschaftlicher Beziehung genug Unterscheidungen inner- halb der völkerreichen Monarchie vorfinden, und wir wollen zu diesem Zwecke die vornehmsten Landschaften nacheinander einer Besprechung unterziehen. Man zählt im Osterreichischen Alpen-, Sudeten-, Karpaten- und Karstlandschaften auf. Wir wollen zunächst mit den Sudetenland- schasten beginnen. Voran steht Böhmen, das nördlichste Kronland — aber darum nicht das schlechteste. Es ist ein von Sw nach No ab- gedachtes Terrassenland von archäischer Bodenformation mit jüngerem Eruptivgestein und hat daher Kohlen, was für Österreich sehr wesent- lich ist. Denn das salz- und eisenerzreiche Gebiet der Ostalpen steht nun in blühendstem Austausch mit dem kohlenreichen, aber salzarmen Böhmen. Aber auch sonst ist Böhmen ein Industrieland ersten Ranges und hat in seinem Nordostrande eine Volksdichtigkeit von über 150 Menschen auf 1 □km. Reichenberg blüht durch Baum- Wollenwebereien, nach den Gebirgen zu liegen die Glashütten, und neuerdings wird der schöne böhmische Hopfen verwertet zur Vier- brauerei. Pilsen genießt darum Weltruf. Dagegen ist der Ruhm des böhmischen Weines zurückgegangen. Im 16. Jahrhundert gehörte er zu den gesuchtesten, und der Wachtmeister in dem Schillerschen Wallen- stein schlürft mit Behagen sein Gläschen Melniker. Die böhmischen Edelsteine sind gleichermaßen bekannt, namentlich die Granaten. Zudem i)t das Land äußerst fruchtbar an Getreide, und wenn wir südwärts nach Mähren vordringen, so gelangen wir an das „mährische Kanaan", die reiche Getreideebene der Hannaken. Der natürliche Mittelpunkt des Landes ist Prag, das böhmische Nürnberg, eine herrlich gelegene, turmreiche Stadt mit lebhaftester Industrie. Aber das macht sie nicht allein jedem Deutschen wert, vielmehr haben in Böhmens Blüteperiode die Luxemburgischen Regenten hier die erste deutsche Universität gestiftet, die kurz vor dem Auszuge der deutschen Stu- deuten 30000 Universitätsgenossen gezählt haben soll. Der Luxem- burger Karl Iv. ist überhaupt in jeder Beziehung Böhmens Wohl- thäter gewesen, was ihm auch die Bezeichnung eintrug: Böhmens Vater, des heiligen römischen Reiches Erzstiesvater. Die Karlsbrücke in Prag und sein Standbild an derselben verewigen den Namen dieses thätigen und erfolgreichen Regenten. — Gewiß haben die Tschechen in Böhmen allen Grund, den Deutschen dankbar zu sein; das Land hat überdies immer in der engsten Beziehung zu Deutsch- laud gestanden, Böhmens Herrscher war einer der 7 Kursürsten des Reiches und versah auch bei der Krönung sein Erzamt: „es schenkte der Böhme des perlenden Weins". Und dennoch hat, wie ich schon oben erwähnte, der tschechische Übermut in den letzten Jahrzehnten
   bis 10 von 56 weiter»  »»
56 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 56 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer
Auswahl:
Filter:

TM Hauptwörter (50)50

# Name Treffer  
0 31
1 62
2 7
3 416
4 56
5 166
6 120
7 226
8 246
9 123
10 51
11 37
12 6
13 165
14 17
15 93
16 58
17 119
18 225
19 106
20 1
21 108
22 156
23 7
24 241
25 16
26 21
27 18
28 9
29 280
30 57
31 22
32 71
33 8
34 31
35 49
36 12
37 187
38 410
39 54
40 184
41 198
42 3
43 7
44 209
45 183
46 13
47 15
48 12
49 283

TM Hauptwörter (100)100

# Name Treffer  
0 6
1 0
2 1
3 7
4 16
5 1
6 0
7 4
8 1
9 9
10 3
11 1
12 1
13 1
14 2
15 5
16 1
17 6
18 2
19 0
20 2
21 1
22 0
23 0
24 0
25 5
26 0
27 0
28 2
29 0
30 0
31 1
32 0
33 3
34 1
35 2
36 4
37 0
38 1
39 0
40 1
41 4
42 0
43 24
44 6
45 4
46 0
47 0
48 5
49 0
50 3
51 0
52 1
53 0
54 3
55 0
56 2
57 0
58 3
59 0
60 2
61 19
62 1
63 2
64 4
65 2
66 4
67 1
68 1
69 2
70 4
71 0
72 1
73 2
74 6
75 0
76 4
77 3
78 4
79 3
80 3
81 0
82 0
83 0
84 1
85 0
86 0
87 0
88 0
89 2
90 0
91 0
92 23
93 1
94 0
95 10
96 1
97 6
98 5
99 2

TM Hauptwörter (200)200

# Name Treffer  
0 2
1 1
2 1
3 1
4 1
5 1
6 1
7 1
8 0
9 0
10 0
11 9
12 0
13 0
14 0
15 0
16 1
17 0
18 0
19 7
20 0
21 0
22 0
23 0
24 1
25 0
26 0
27 0
28 0
29 1
30 0
31 4
32 0
33 4
34 1
35 0
36 0
37 0
38 1
39 2
40 0
41 0
42 0
43 0
44 0
45 1
46 0
47 1
48 0
49 0
50 1
51 0
52 8
53 2
54 7
55 0
56 0
57 0
58 0
59 1
60 0
61 0
62 0
63 0
64 0
65 0
66 0
67 0
68 2
69 0
70 0
71 2
72 0
73 1
74 2
75 0
76 2
77 1
78 13
79 1
80 2
81 7
82 0
83 1
84 0
85 0
86 3
87 2
88 1
89 0
90 0
91 3
92 1
93 0
94 0
95 0
96 0
97 1
98 1
99 0
100 0
101 1
102 1
103 5
104 2
105 0
106 0
107 0
108 1
109 5
110 0
111 0
112 0
113 1
114 1
115 2
116 0
117 0
118 0
119 3
120 0
121 0
122 3
123 0
124 0
125 0
126 10
127 17
128 2
129 4
130 0
131 0
132 1
133 3
134 1
135 1
136 7
137 0
138 1
139 2
140 0
141 0
142 1
143 0
144 2
145 2
146 0
147 0
148 4
149 1
150 0
151 1
152 1
153 4
154 1
155 0
156 0
157 1
158 1
159 8
160 2
161 0
162 0
163 0
164 0
165 3
166 1
167 0
168 0
169 0
170 0
171 0
172 1
173 4
174 4
175 1
176 6
177 2
178 0
179 0
180 0
181 0
182 2
183 8
184 2
185 1
186 2
187 3
188 4
189 0
190 0
191 1
192 2
193 2
194 1
195 0
196 0
197 3
198 0
199 0